Mit 66 Jahren fängt das Leben an!
Für den COPD-Patienten Anton S. veränderte sich in diesem Alter nochmal alles. War er bisher in den eigenen vier Wänden untergebracht, musste nun eine Beatmungs-WG gesucht werden, da sich sein Zustand deutlich verschlechtert hatte. Aber der Rentner ließ sich nicht unterkriegen. Mit viel Disziplin, unerschütterlichem Kampfgeist und Unterstützung von Therapeuten, Pflegfachkräften und Ärzten schaffte er den Weg zurück nach Hause.
Lebensfroh war Anton S. trotz seiner Erkankung immer gewesen. Jetzt sollte sich alles ändern. Seine weit fortgeschrittene COPD hatte sich zu einer einer hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz mit persistierender Beatmungspflicht und rezidivierender Aspiration bei Dysphagie entwickelt.
Eine schwierige Situation für die ganze Familie. Ein herber Schicksalsschlag war die invasive Beatmung, die seine Lebensqualität stark einschränken würde. Er war nun überwiegend immobil, pflegebedürftig und durch den sechs- wöchigen Aufenthalt auf der Intensivstation in einem kläglichen Allgemeinzustand.
Der Lebensmut war gesunken
Durch das Engagement des versorgenden Klinikums und der Atmungstherapeuten wurde im Sommer 2017 nach einer Lösung für eine Anschlussversorgung gesucht. Der Intensiv-Pflegedienst SPIRAVITA mit Sitz einer Wohngemeinschaft in Homburg/Saar, spezialisiert auf ein poststationäres Versorgungskonzept für die außerklinische Betreuung von technologieabhängigen Langzeitbeatmungs- und Intensivpflegepatienten, übernahm den 66-Jährigen. Und das passte gut, denn das Ziel des Pflegedienstes ist es, die Abhängigkeit auch von medizinischen Geräten zu verringern und die Patienten in ein möglichst selbstständiges Leben zurückzuführen. Und das sollte auch Antons Weg sein. Glücklich war für den Betroffenen und seine Familie auch die räumliche Nähe der Beatmungs-WG in Homburg.
Das Ziel lag allen klar vor Augen
Als die Entscheidung gefallen war, wurde von der Fachärzteschaft des versorgenden Klinikums, den Atmungstherapeuten und dem Überleitungs- und Pflegemanagement der SPIRAVITA ein schlagkräftiger Plan geschmiedet, denn das Wunschziel des noch jungen Senioren war es, Weihnachten wieder zu Hause bei der Familie zu sein.
Die Überleitung von der Klinik in die Wohngemeinschaft war so unkompliziert wie die Eingewöhnungszeit kurz. Das multiprofessionelle Team aus Facharzt,
Hausarzt, Intensiv-Pflegefachkräften und Therapeuten verschiedenster Fachrichtungen nahm die Herausforderung „Weihnachtsgans zu Hause“ an. Auch Anton S. und seine Angehörigen zogen am gleichen Strang. Schon bald entstand ein tiefes Vertrauen zu den Pflegefachkräften, Therapeuten und Medizinern. Und das war wichtig, denn der Erfolg des Weaning hängt erfahrungsgemäß stark vom Vertrauen des Patienten in sein Umfeld ab. Der psychische Faktor nimmt deutlichen Einfluss auf den Erfolg der gesteckten Ziele. Und dieses Ziel hieß ganz klar: Beatmungsentwöhnung für Anton.
Dabei war natürlich die kontinuierliche Überwachung und Dokumentation von Sauerstoffsättigung, Pulsfrequenz, Atemfrequenz und des klinischen Eindrucks unterstützend notwendig.
Die Blutgasanalysen dokumentierten auch bei Anton S. den Verlauf und wurden durch den Facharzt analysiert, der Entwöhnungsprozess darauf abgestimmt.
Die Kommunikation zwischen Ärzten, Intensiv-Pflege und Therapeuten wurde dem Verlauf des Entwöhnungsprozesses ständig angepasst. Aber auch die Intensiv-Pflegefachkräfte waren in die Entwicklung tief einbezogen, deren kontinuierliche Patientenbeobachtung (z.B. Bewusstseinszustand, Hautfärbung, Atemfrequenz, Psychische Situation etc.) sowie das nachhaltige Fortführen der Therapien ein Übriges getan hat.
Bewegung ist die beste Medizin
Der motivierte Rentner wurde durchgehend mit intensiven Physio-, Ergo- und Sprachtherapien aktiviert. Und das kostet Kraft, denn das Weaning ist ein Prozess, der seine Zeit braucht und viel Disziplin des Betroffenen erfordert. Aber Anton S. nahm den Kampf an. Und dann war der erste Schritt getan: In Begleitung von Pflegern und Therapeuten nahm er wieder Arzttermine war oder ging in der näheren Umgebung mit seinem Rollator spazieren. Getragen von diesen positiven Einflüssen war er hoch motiviert den Verbesserungsprozess weiter voranzutreiben und sein persönliches Ziel zu erreichen.
„Es war beeindruckend zu sehen wie Anton jeden Tag Fortschritte machte und die Lebensfreude immer weiter stieg”, so erlebte es ein Familienmitglied.
Atmen, essen, trinken, sprechen
Schon nach drei Monaten kam der damals 66-Jährige ohne Beatmungsgerät durch die Nacht. Das führte zum nächsten Schritt des Therapieplanes: Endlich wieder Essen können und die Trachealkanüle entfernen. Denn Hauptziel war es doch Anton S. zu dekanülieren. Also krempelte das Team aus Ärzten, Intensiv-Pflege und Therapeuten die Ärmel erneut hoch und erarbeitete in Absprache mit dem Patienten einen detaillierten Therapieplan. Denn allen war klar, ohne seine Motivation, sein Vertrauen und viel Geduld, war dieses Ziel nicht zu erreichen.
Alle erinnern sich noch an den Moment als das Tracheostoma zum ersten Mal durch einen „Platzhalter” verschlossen wurde und Anton sehr überzeugend sagte: „Nach dem Schaffe brauch Mann sein Fläschken Bier.“
Die Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten: endlich wieder Essen. Anton genoss die lange vermissten Geschmackseindrücke sehr. Mehrmals war bereits mittels endoskopischer Evaluation des Schluckprozesses durch einen Facharzt gesehen worden, dass dieser unauffällig war.
Einer Dekanülierung stand nun nichts mehr im Weg. Und tatsächlich, in der ersten Dezemberwoche wurde die Kanüle entfernt. Die positive Bestätigungsphase mit einer angepassten Kontrolle des Patienten auf stabile Atemleistung und ausreichendes Abhusten von Sekret auch ohne Trachealkanüle bestätigte die erfolgreiche Arbeit der Therapeuten, des Pflegedienstes und den Ärzten.
Nach fünf Monaten und sieben Tagen intensiver Pflege und Therapie konnte Anton S. mit seiner Tasche in der Hand aus der Wohngemeinschaft zurück zu seiner Familie und in sein altes Zuhause umziehen.